Nach der Eröffnungsausstellung »Hermann Stenner und seine Zeit« (20.1. – 18.8.2019), die sich mit über 200 Gemälden dem früh verstorbenen Künstler Hermann Stenner (1891 – 1914), seinen Lehrern und Künstlerkollegen widmete, steht nun sein zeichnerisches Werk im Zentrum der biographisch-dokumentarisch angelegten Folgeschau.
In nur fünf Jahren schuf Hermann Stenner neben den heute bekannten ca. 300 Gemälden rund 1.700 Aquarelle und Zeichnungen, Linolschnitte und Lithographien. Darin erleben die Betrachter*innen Stenners künstlerische Entwicklung wie in einem Zeitrafferfilm: Während bereits die frühen Gemälde die koloristische Begabung des Studenten zeigen, ist den frühen Zeichnungen Stenners ein intuitives Erfassen der Formen in den Graphitzeichnungen spürbar. Ausgearbeitete Porträts, karikaturhaft überspitzte Figurenbildnisse, akademische Aktstudien sowie spontan skizzierte Landschaften zeigen sein Ringen um Komposition und Ausdruck. Seine farbigen Zeichnungen und Aquarelle sind virtuose Studien in zarten, sanften Farbtönen.
Am Anfang steht eine Enttäuschung. Zwar hatte der knapp 18-Jährige geplant, direkt zur Münchner Akademie zu gehen, doch rät Professor Eugen von Stieler dem knapp 18-jährigen Stenner, zunächst die private Zeichenschule von Heinrich Knirr zu besuchen. Mit dem Satz »Es ist so eigentlich viel besser, dass ich erst ordentlich Zeichnen lerne.« spricht der junge Kunststudent in einem Brief an seine Eltern in Bielefeld wohl nicht nur ihnen, sondern auch sich selbst Mut zu.
Doch wird die Zeichnung für Stenner viel mehr bedeuten als nur Grundlage seiner Malerei zu sein, ist sie doch erster spontaner Ausdruck einer Bildidee, alltägliche Fingerübung, Rechenschaftsbericht seiner Reisen und Kunstentdeckungen, »Schnappschuss« von Erlebtem wie Erträumtem und letztlich ein ganz eigener Werkkomplex.
Stenners Kompositionsstudien, die in Bielefeld, München, Dachau, Stuttgart, Monschau und in Paris entstandenen Stadtansichten, Landschaftsstudien, die Theater- und Varietészenen, Porträts seiner Verlobten Clara Bischoff sowie Vorstudien zu Gemälden in Verbindung mit seinen Briefen und weiterem dokumentarischen Material zeigen eine andere, weniger bekannte Facette des Künstlers.
Aufbruch und Apokalypse: Zwischen diesen Polen bewegt sich Hermann Stenner in seiner kurzen Schaffenszeit im expressionistischen Jahrzehnt bis zur »Menschheitsdämmerung« (Kurt Pinthus) im Ersten Weltkrieg.
Die 250 Werke, vornehmlich aus der Sammlung Bunte, ergänzt um ausgewählte Werke aus Privatbesitz und öffentlichen Sammlungen, verweisen bereits auf die dritte Themenschau im Kunstforum Hermann Stenner: »Johannes Itten. Kunst als Leben. Bauhausutopien und Dokumente der Wirklichkeit«. Die Übernahme aus dem Kunstmuseum Bern wird vom 8.3. – 28.6.2020 im Kunstforum Hermann Stenner gezeigt.
Kunstforum Hermann Stenner, 21. September 2019 – 2. Februar 2020